Raus aus der WÜste - rein in die Berge!
uigurischer Friedhof mitten in der Wüste
3. Oktober 2010 Der große Sprung nach vorn war einst Mao Zedongs Plan zur schnellen Industrialisierung Chinas. In unserem Fall bedeutet dies nun: Raus aus der Wüste - rein in die Berge! Und die vorerst letzte grosse Etappe Richtung Osten, der Sonne entgegen.
Zeltplatz am Rande der Taklamakan Wüste
Kashgar. Wie weiter? Nord- oder Südroute? Für die Südroute sprechen verkehrsarme Strassen und "richtige" Wüste mit Sand und allem drum und dran. Für den nördlichen Rand der Taklamakan spricht eine parallel verlaufende Bahnlinie und Dörfer mit Restaurants. Letzteres ist das überzeugende Argument und wir starten tags darauf. Zusammen mit Andi Seidel (Andiontour) wollen wir entlang der nördlichen Seidenstrasse in die Oasenstadt Turpan fahren. Wie erwartet treffen wir auf perfekte chinesischen Strassen. Dies ist aber schon bald das einzige Highlight. Hunderte Kilometer Kieswüste, rechts im Dunst das Nichts, links im Dunst die erste karge Gebirgskette des Tian Shan. Und meistens Gegenwind. Nach einigen Stunden treffen wir jeweils auf ein Strassendorf, essen Nudeln und tanken Wasser. An Tag 4 ist der Wind so stark, dass wir gerne das Angebot von ölsuchenden Geoingenieuren annehmen und in ihrem Wohn-Lastwagen bis in die Grossstadt Aksu mitfahren.
Aksu ist eine typische moderne chinesische Kleinstadt mit einer guten halben Million Einwohner, und allem was unsere Mägen begehren. Die Hotelsuche wird allerdings zu einem längeren Unterfangen: In den normalen Binguans sind Ausländer nicht zugelassen und wir werden immer wieder an Oberklassehotels mit riesigen polierten Lobbies verwiesen. Nicht gerade das, was wir als verstaubte Velofahrer suchen. Aber nach einer ausgiebigen Stadtrundfahrt finden wir doch einen super Dreierzimmer für gerechte 30 Stutz. Die heisse Dusche, die saubere Bettwäsche und das Internetkabel gefallen uns so gut, dass wir gleich noch eine Nacht anhängen. Quasi aus Ausgleich dazu nehmen wir für die nächsten 500 Kilometer nach Korla den Bus. Zum Glück, wie sich herausstellte: Fast auf der gesamten Strecke wird gebaut. Busfahren kann auch anstrengend sein...
In vier Tagen radeln wir nach Turpan. Die Strecke wird nun interessanter und bekommt eine dritte Dimension: Es gilt endlich mal wieder einen Pass zu erklimmen. Die Höhe von knapp 1900 Meter ist zwar nicht gerade beindruckend, die Abfahrt durch ein Labyrinth von Bergen und Schluchten runter ins Turpanbecken bis auf -80 Meter ist wohl eine der längsten, die wir je gefahren sind. Tupan ist eine ländliche Oasenstadt und wird zum grössten Teil von muslimischen Uiguren bewohnt. Lebensgrundlage ist der Tourismus und vorallem die Unmengen an Trauben, die zur Zeit gerade geerntet und in speziellen Ziegelbauten zum Trocknen aufgehängt werden. Wir ruhen uns hier vorallem aus, essen viel und besorgen uns ein Bahnticket, welches uns an den Südrand der Wüste Gobi bringen soll. Wir haben definitiv genug eintönige Landschaft gesehen und wollen nun so schnell wie möglich in die Berge.
Die Zugfahrt ist erstaunlich angenehm und unkompliziert. Die Velos schieben wir am Bahnhof wie selbstverständlich durch sämtliche Sicherheitsschranken und bringen sie vor dem verdatterten Schaffner direkt in den Schlafwagen. Erst als schon alles drin ist, bringt er ein simples "no" raus. Zu spät. Am nächsten Morgen und 1'100 Kilometer weiter treffen wir ausgeschlafen in Zhangye ein. Eine moderne chinesische Stadt, deren Hauptattraktion ein 34 Meter langer liegender Buddha ist.
Die folgenden drei Tage fahren wir praktisch ausschliesslich hoch und erreichen über einen 3'685 Meter hohen Pass die Provinz Qinghai und damit das osttibetische Plateau. Mit den Bergen und der Höhe ist es vorbei mit angenehmen Temperaturen; eisiger Regen und Schneegestöber in Abwechslung mit Sonnenschein bestimmen das Wetter. Nachts gefriert das Kondenswasser im Aussenzelt, klamme Finger und eisige Zehen gehören zu ständigen Begleitern. Durch frisch verschneites Grasland und über weitere ebenso hohe Pässe kommen wir in die erste chinesische Millionenstadt Xining.
Hier tun wir was gemacht werden muss: Duschen, Wäsche waschen, Shoppen. Und wir frönen unserem grössten Hobby, dem Essen. Nebenbei gilt es, die weitere Route zu planen. Wir machen nun eine scharfe Rechtskurve in Richtung Süden. Nicht mehr der Sonne entgegen, sondern in die wärmeren Gegenden Südchinas. Mit diversen Karten, auf denen die Strassen immer etwas unterschiedlich eingezeichnet sind und mit Google Earth beurteilen wir verschiedene Varianten bis Chengdu, rund tausend Kilometer südlich von hier. Für die Strasse 214 spricht die einsamere Landschaft, hohe Pässe und das voraussichtlich bessere Wetter. Dafür liegt die durchschnittliche Höhe mit deutlich über 4000 Meter rund tausend Meter höher als bei der weiter östlich liegenden 213. Dies bedeutet auch entsprechend eisigeren Temperaturen um den Gefrierpunkt und dem Risiko von grösseren Mengen Schnee. Wollen wir wirklich drei Wochen frieren? Nein, finden wir, und wir entscheiden uns für kleinere Strassen parallel zur 213. Es ist leider definitiv zu spät, um in grossen Höhen Velo zu fahren.
|